Kulturnacht Laufenburg 2021

Jeweils zwei Fotografien bilden einen Kontext, mit dem sich die Texte (verfasst von Philipp Fuchs) auseinandersetzen. Auf diese Weise stehen nicht nur zwei Fotografien im Dialog, die Verbindung erweitert sich noch durch eine schriftliche Dimension.

Serie DUO: Schönheit

Der Reiz dieses Duos liegt in der Verbindung von Architektur und Mensch sowie Licht und Schatten. Würde ein Element fehlen, wäre die Wirkung anders, die Bilder unvollständig. So gehen diese beiden Fotografien einen Dialog ein und ergänzen sich visuell trotz einiger Unterschiede ideal – eine harmonische Verbindung. Die erste Fotografie ist beim Palais de Tokyo in Paris entstanden, das zweite Bild bei der Hardbrücke in Zürich.

 

Wer sich von diesem Duo angesprochen fühlt, könnte verleitet sein zu sagen: «Das ist schön». In der Kunst wurde das Ideal des Schönen – les Beaux-Arts – spätestens von der Moderne zerstört. Es schien ein Schimpfwort, eine brutale Abwertung eines Werks zu sein, wenn der Begriff ‘schön’ verwendet wurde. Friedrich Nietzsche (1844-1900) postulierte das Hässliche als ästhetische Kraft, die mitunter stärker ist als das Schöne: «Alles was aufregt, ist angenehm».

 

Doch andere Zeiten, andere Werte – und so sieht der Philosoph Konrad Paul Liessmann aktuell eine Wende zu Gunsten des Schönheitsbegriffs: «Darüber hinaus gewinnt Schönheit aber als Moment des Lebens und der Natur selbst wieder eine Bedeutung, die die Destruktion des Schönen durch die Kunst der Moderne selbst

als historische Episode erscheinen lässt.»

 

Vielleicht suchen wir in unserer Zeit wieder stärker nach der Empfindung von Schönheit, sind offener für deren Verlockungen. Oder bedürfen ihrer einfach wieder mehr. Dabei können wir uns wunderbar auf einen Essay aus dem Jahre 1788 von Karl Philipp Moritz (1756-1793) berufen – was sind schon 233 Jahre Differenz,

wenn es um Schönheit geht… «Das Schöne ist also kein Gegenstand einer erkennenden Reflexion, sondern einer eigenständigen Empfindungsfähigkeit des Menschen, da die Natur des Schönen eben darin besteht, die Grenzen des Verstandes, der Denkkraft zu überschreiten. Das Schöne ist schön, gerade weil die Denkkraft nicht

mehr fragen kann, warum es schön sei.» Aus Konrad Paul Liessmann, 'Schönheit', Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Serie Duo: Melancholie

Zwei Fotografien aus Paris – entstanden im Abstand von zwei Jahren – dieselbe Stimmung: Melancholie. Zwei Frauen prägen das Duo und verkörpern eine schwermütige Atmosphäre. Auf der ersten Fotografie in Form eines sich mit der Spiegelung des Schaufensters verbindenden gemalten Porträts. Auf der anderen Aufnahme nur unscharf, aber im Ausdruck deutlich erkennbar, eine Frau in einer düster wirkenden Umgebung. Beide wirken einsam und distanziert. 

  

Was ist das, Melancholie? Der zeitgenössische Philosoph Laszlo F. Földényi setzt sich in seinem Werk intensiv damit auseinander. Er schreibt in seinem Buch

‘Lob der Melancholie’: «Sie (die Melancholie, Anm.) ist etwas, das, sobald man es benennt, schon nicht mehr das ist, was es ist. Sie ist da, solange sie unsichtbar

ist; sobald sie sichtbar ist, handelt es sich nur noch um ihr Nebelbild. Sie bereichert das Leben; und doch hat man, wenn man von ihr eingeholt wird, das Gefühl, beraubt worden zu sein.».

 

Die Melancholie scheint ein ungreifbar dunkles und dennoch nicht wenigen Menschen innewohnendes Gefühl zu sein. Eine Empfindung, ein Zustand, von dem

nicht eindeutig ist, was ihn auslöst und wie er sich zeigt. Für Földenyi kann sich Melancholie auch in Form von Genialität, von Euphorie, von ausser sich sein ausdrücken. Vielleicht setzen Gefühle tiefer Freude, intensiven Glücks ja voraus, die Empfindung von Melancholie zu kennen und zuzulassen – oder sie mindestens nicht zu verleugnen. 

 

Földenyi: «Die Melancholie erinnert uns an die Unzuverlässigkeit der Gefühle, aber auch an die Vergeblichkeit des sogenannten letzten Wissens. Darauf, dass die Welt, und mögen wir sie uns noch so souverän einrichten, auf wackligen und zerbrechlichen Säulen ruht.» Aus Laszlo F. Földenyi, 'Lob der Melancholie', Matthes & Seitz Verlag

Serie DUO: Konsum und Kunst

Zwei Fotografien, beide aus Paris. Bild 1 aus dem grossen Kaufhaus Bon Marché, Bild 2 aus dem Museum Petit Palais. Die Struktur der Fotografien ähnelt sich, in beiden Fällen sind es vertikale Elemente (die filigranen Schuhregale, die hohen Glaskästen), die die Bilder gliedern. In diesen Aufnahmen zeigt sich der Mensch als Staffage im Reich der Dinge, in einem Meer des Überflusses. Der Angestellte entzieht sich in entrückt dem Konsumparadies, die Besucher des Petit Palais muten verloren an in der Fülle der Kunst.

 

Die edlen Schuhe scheinen so kunstvoll platziert, dass man sich fast davor scheut, einen aus der Komposition zu reissen. Während die Schuhe wie Kunstobjekte dargestellt werden, wirkt die Präsentation der tatsächlichen Kunstwerke zufällig, chaotisch und zu dicht. Die Spiegelung der Glaskästen im Petit Palais erschwert die Orientierung, die Konzentration auf die Werke ist gestört. Und der prachtvolle Raum, der wunderbar gestaltete Boden kann in der Masse der Kunstwerke keine gebührende Beachtung mehr finden.

 

 

Vielleicht geht es hier aber gar nicht mehr um eine Beschäftigung mit den Werken, sondern um eine Konsumhaltung. Der Besucher soll noch möglichst viele Eindrücke mitnehmen, das Museum muss zeigen, was es alles im Bestand hat – und zum Abschluss lockt der Museumsshop. Dazu passt eine Schlagzeile der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ ‘Bellevue’) vom Januar 2021: «5 Ideen, wo und wie wir Kunst gerade konsumieren können».